Plastik

Plastik und alles was man daraus machen kann, spielen im amerikanischen Leben eine ganz besondere Rolle. Und ich muss es wissen, ich arbeite schliesslich in einer Firma, die alle Arten von Plastikverpackungen auf den noch lange nicht plastikgesättigten amerikanischen Markt wirft. Das Verständnis, was überflüssige Verpackungen für die ständig wachsenden Müllberge bedeutet, muss hier erst noch entwickelt werden. Und das ist jetzt echt nicht böse gemeint, aber diesbezüglich befinden wir uns hier in einem so-called „Entwicklungsland“.

Hier ein paar Geschichten und Anekdoten aus meinem bisherigen Leben in Plastic-Country:

In Restaurants (nicht jedoch in den Highend Dingern) hat man sich ja beinahe schon daran gewöhnt, dass man nichtalkoholische Getränke in den meisten Fällen in Plastikbechern bekommt. Die ersten paar Male war es immer ein „ups – die sind ja so leicht“ Erlebnis. Den Vogel hat aber letztens ein Brauerei –Restaurant abgeschossen, indem uns Bier in sehr dünnwandigen Plastikbechern serviert wurde. Holy cow! Des schmeckt ja mal bescheiden. Und es lag nicht am Bier. Ich finde nach wie vor, Getränke, egal welcher Art, gehören ins Glas. Punkt.

Ein anderer Knüller sind Partys oder andere Zusammenkünfte (zum Beispiel Hochzeiten, und da hört der Spaß echt auf), bei denen man ein paar mehr als nur zwei oder drei Leute einlädt. Während man bei uns halt alle Teller und Sonntags- und Wochentags-Besteck zusammenträgt, wandert der Amerikaner erstmal in den Supermarkt und deckt sich mit Plastiktellern, Plastikbechern und jetzt haltet euch fest, Plastikgabeln, Plastikmessern und Plastiklöffeln ein. Kein Scherz. Ich weiss nicht, wie oft wir das hier schon erlebt haben. Da wird man zu Parties eingeladen (was ja an und für sich ganz toll ist) und dann darf man einen wabbeligen „Teller“ mit noch wabbeligerem „Besteck“ in der Gegend rumbalancieren. Aber es ist ja auch sooo praktisch. Denn anstatt hinterher die Spülmaschine einzuräumen, nur um sie dann wieder ausräumen zu müssen, packt man hier einfach die Mülltüte und Schwupps di Wupp ist alles wieder beseititgt. Toll, nicht?!

Unser Tauchclub veranstaltet im Sommer regelmäßig BBQs an unserem „Stamm-Tauch-See“. Wenn immer möglich lassen wir uns das aus bekannten Gründen (Tauchen und Essen) natürlich nicht entgehen. Daheim packen wir dann unseren Cooler mit Wasser (in Nichtpfandplastikflaschen), Deko-Bier und sonstigen Überlebensnotwendigen Dingen. Dazu gehören auch zwei Porzellan- (oder isses doch billiges Keramik?) Teller, zwei original WMF Gabeln und zwei original WMF Messer. Schon mal versucht mal ein Steak auf nem Plastik- oder Kartonteller auf dem Schoss mit Plastikmesser und Plastikgabel zu essen? Gnadenlos sind wir wie immer die einzigen, die ihre Teller und Besteck hinterher nicht in den Müll kicken.

Im Supermarkt bin ich mit meinen wiederverwendbaren, multifunktionellen Plastik-Boxen auch ein Exot. In den allermeisten Fällen packe ich weder Obst noch Gemüse in Tüten, sondern einfach so in meinen Einkaufswagen. An der Kasse ist es dann auch immer wieder amüsant, den Verkäufern zu erklären, dass sie nix in Plastiktüten verpacken müssen, sondern alles in meine Boxen geht. Der letzte Verkäufer war im Übrigen total besorgt, da er das Gemüse angefasst hat bzw. es anfassen musste, um es zu wiegen. Guess what?! Ich wasch die Tomate auch bevor ich sie mir in den Mund stecke!

Meine Firma und die dort hergestellten Produkte bieten auch allerhand Gelegenheiten ein bisschen mehr über Plastik und dessen Einsatzmöglichkeiten nachzudenken. Ein gutes Beispiel sind Kosmetikverpackungen, was wir hier jeden Tag in Millionenstückzahlen raushauen.

Als wir über Neujahr zu Hause waren, hab ich extra noch kurz eine bekannte Drogeriemarktkette besucht, um mein Gedächtnis aufzufrischen, was die Verpackungen der Schminkindustrie in Deutschland anbelangt. Bei uns ist es ja in den allermeisten Fällen so, dass Schminkzeug wie Wimperntusche, Lippenstifte, Lidschatten etc. in so einer Art Box-Regal-Schaukasten aufgereiht sind. Die einzelnen Produkte wiederum sind nur mit einem ganz dünnen Plastiksiegelchen versehen, damit frau sie nicht einfach so aufreissen und ausprobieren kann.
PlastikIn den USA sieht das ein wenig anders aus. Vor allem Wimperntusche, aber auch viele andere mach-mich-schöner-Produkte sind aufwendig verpackt. Was genau heisst, das Produkt liegt auf einem Karton und die Plastikverpackung ist mit dem Karton versiegelt, so dass frau sich saumässig anstrengen muss, um das eigentliche Produkt überhaupt vom Umfeld zu befreien. In der Fachsprache Blisterverpackungen genannt. Stiftung Warentest würde hier Sturm laufen!
Der einzige Kosmetikhersteller (zumindest soweit ich es bis jetzt beurteilen kannt) der auf derlei Verpackungen verzichtet, und es gleich macht wie wir, ist Avon. Wenn ich also alle zwei Jahre mal eine neue Wimperntusche brauche, weiss ich, wo ich hinwatscheln muss.

Verpackungen werden hier noch als Präsentationsgegenstand angesehen. Je größer, je schöner, je aufwendiger desto besser. Dass das eigentliche Produkt dadurch nicht wirklich brauchbarer wird, ist oft nebensächlich. Dass die ganze Verpackung eh nur in den Mülleimer fliegt, auch nicht.

Einmal im Jahr zu Weihnachten dann gibt es bei uns ein sogenanntes „Potluck“. Dafür kommt die ganze Firma (ca. 250-300 Leute hier) zusammen, ein Raum (und davon haben wir hier genug) wird hergerichtet mit Tischen und Stühlen und meistens auch noch sehr nett dekoriert. Ein paar Tage vorher trägt man sich in Listen ein, wer was mitbringt. Und dann wird zusammen gegessen. Von was? Ich muss wohl nicht mehr erwähnen, dass kein Porzellan oder Edelstahl im Spiel ist...

Da mein Team hier in der Firma echt klasse ist, kommt es ab und zu auch vor, dass wir morgens zusammen frühstücken oder auch mal Mittagessen. Jeder bringt was mit und dann wird zusammen geschlemmt. Dreimal dürft ihr raten wie. Wir haben einen Schrank mit Einweggeschirr! Ole! Ich sorge immer für Lacher, wenn ich dann schnell in mein Büro düse und meine Tasse und mein Besteck hole. Schon mal was von Müllvermeidung gehört?! Hallo? McFly? Anybody home?
Bei mir läuft das nämlich so ab: montagmorgens wird mein Büro immer aufgerüstet. Teetasse, Kaffeetasse und Besteck. Die Tassen werden eine Woche benutzt, das Besteck jeden Tag nach dem Essen (was ich mir in Tupperschüsseln mitbringe) sorgfältig abgeschlotzt. (Ich bin zu faul zum nächsten Waschbecken zu laufen, sorry.) Am Freitag dann wird alles wieder eingepackt und daheim in die Spülmaschine verfrachtet. So geht das!

Ach genau, einer meiner Kollegen (ich kann jetzt nicht näher definieren, wer genau), ist auch der Brüller. Seit kurzem wieder Single, lebt allein in einem grossen Haus und isst, falls er sich mal was kochen sollte, (meistens kommt jedoch der Lieferservice), von Plastiktellern mit Plastikbesteck. Und kommt mir jetzt nicht damit, dass vielleicht seine Ex die Küche leer geräumt hat. Nein, nein. Der Gute ist schlicht und ergreifend nur zu faul, alles in die Spülmaschine zu laden. Kein Scherz. Er schloss auch bereits eine Wette mit mir ab, dass ich spätestens in einem Jahr das gleiche machen werde. Die wird er sauber verlieren!

Allen Unkenrufen zum Trotz, eines muss man den Amis lassen. Die Auswahl an Einweggeschirr hier haut einen buchstäblich aus den Socken. Allein das Regal mit Einwegwaren im Walmart ist so lang wie bei uns der Aldi von vorne bis hinten. Es gibt Teller aus Plastik und aus Karton. Einfarbig in allen Farben, sowie bedruckt mit Motiven von (Kinder-) Geburtstag, Hochzeit, Halloween, Weihnachten, alles was man sich vorstellen kann. Das Gleiche mit Besteck. Normales durchsitiges Plastik, weisses Plastik, buntes Plastik bis zu ‚versilbertem‘ Plastik, so dass es fast aussieht wie echtes Besteck. Die Möglichkeiten die sich daraus ergeben sind beinahe unbegrenzt. :-)

Ich weiss, das klingt alles ziemlich unglaubwürdig. Aber es ist nix als die Wahrheit. Alles persönlich erlebt. Ich schwör’s!

Ich will mich auch gar nicht als Moralapostel aufspielen. Aber es gibt soviele Dinge, die es einfach nicht braucht, und übertriebene Verpackungen oder Einwegplastikgeschirr gehören meiner Meinung nach da dazu!

Und weil wir gerade beim Thema sind, ein, wie ich persönlich finde, hochinteressantes Buch über unseren Ökowahn, der manchmal seltsame Blüten treibt: „Ökofimmel: Wie wir versuchen, die Welt zu retten - und was wir damit anrichten - Neubacher, Alexander“