Die ersten 180 Meilen…

...mit dem Fahrrad sind geschafft. Ich war vorhin auch ganz überrascht, als ich auf den Tacho gekuckt hab.  Zeit also, um mal ein bisschen über das (nicht ganz alltägliche) Radeln in den USA zu berichten.

Wenn man sich, entgegen der Natur, auf nur zwei Rädern fortbewegt, hat man von Zeit zu Zeit gewisse Herausforderungen oder „Challenges“ wie man hier so schön sagt, zu meistern.

Bahn1Da wären zum einen die recht zahlreich vorhandenen Wege, die sehr oft parallel zur Straße verlaufen. Ob dies jetzt Rad- oder Fußwege sind, keine Ahnung, ausgeschildert ist zumindest mal nix. Wenn immer möglich nutze ich diese Wege sehr gerne. Es sind sowieso keine Fußgänger bzw. andere Radfahrer da. Naja, ganz selten kommt doch mal einer vorbei…  Was allerdings zum einen oder anderen ratlosen Blick bei mir geführt hat, ist die Tatsache, dass manche dieser Radwege im Nirvana enden. Einfach aus…nur noch Wiese da…OK, dann halt doch wieder auf die Strasse…  Wie zum Beispiel hier an diesem Bahnübergang. Knapp 6 min und 163 Waggongs später ging es weiter. Auf der Strasse und auch ganz speziell an Ampeln und Einfahrten heißt es dann: Augen auf! Denn Auto fahren können die (meisten) Amis leider mal überhaupt nicht…

Sämtliche Einkäufe erledige ich momentan auch noch mit dem Radl. Das Wetter ist bis jetzt bombig und die einzelnen Supermärkte liegen alle so zwischen 2-4 Meilen weg. Kein Problem also. Was  sich allerdings manchmal als etwas problematisch erweist, sind die meist nicht vorhandenen Fahrradständer. Ich mein, welcher Trottel außer mir geht auch mit dem Fahrrad einkaufen? Genau, niemand! Der eine oder andere Supermarkt hat so wellenförmig geschwungene Eisenteile. (Am Bahnhof hab ich letztens daran festgemachte Fahrräder entdeckt. Daraus habe ich dann ganz schlau geschlussfolgert, dass das doch tatsächlich Fahrradständer sein müssen.) Dies ist also die eine Möglichkeit, sein Fahrrad ordnungsgemäß zu parken. Wahrscheinlich müsste man es gar nicht abschließen, hier fährt eh jeder Auto…. Manchmal wiederum muss die Einkaufswagensammelstation als Ankettmöglichkeit herhalten und beim Mexikaner (mexikanischer Supermarkt in dem alle nur spanisch sprechen und auch der Kassenzettel auf Spanisch ausgedruckt wird) muss ich mein armes Fahrrad sogar an einem der Pfosten  abstellen, die auf einen Behindertenparkplatz hinweisen (welche es hier auch in ungefähr 10.000facher Anzahl gibt). Ich warte noch auf meinen ersten Strafzettel…

Im ersten Monat bin ich immer noch mit Pullover zum Supermarkt gewackelt. Warum? Weil es da drin schweinekalt ist. Mittlerweile hält der Schüttelfrost trotz kurzer Hose und Trägershirt nur noch etwa 5 Sekunden an… hätte nicht gedacht, dass ich mich daran so schnell gewöhne…

Radeln1Weil unter der Woche nicht viel Zeit bleibt, ist es am Wochenende um so wichtiger für die Amis mal „rauszukommen“. Deshalb gibt es hier genug Möglichkeiten zum entspannten oder auch aktiven Radfahren. Viele Parks, Grünflächen und kleine Wälder mit Trails in unterschiedlicher Länge und Schwierigkeiten laden zum Spazierengehen,  Wandern und Biken ein. Dort begegnet man dann auch der verloren geglaubten Spezies Fußgänger und Radler wieder Wink.
FoxRiver1
Letztes Wochenende waren wir an einem richtigen Mountainbike-Trail. Rund 15 Meilen über Stock und Stein, Wurzeln, Kies und Matsch, alles war dabei.  Es hat super Spaß gemacht, auch wenn ich mit meinem Trekking Rad manchmal doch leicht bis mittelschwer überfordert war Smile. Etwas entspannter geht es am Fox River zu, nicht weit von unserem Haus weg. Schöne, breit angelegte Radwege über mehr als 33 Meilen am Fluss entlang. Der Sport kommt also nicht zu kurz hier!

10 Dinge, die die Welt nicht braucht…

…die aber irgendwie unverzichtbar werden, sobald man sich dran gewöhnt hat…

1. Klimaanlage
Anfangs war ich auch der festen Überzeugung was für ein überflüssiger Schnickschnack eine Klimaanlage doch sei, dazu noch Energieverschwendung par excellence. Tja, das Umdenken hat mittlerweile auch bei mir eingesetzt. Es ist einfach zu angenehm und zu erholsam, wenn man mitten in der Nacht (immer vorausgesetzt man schläft vor lauter Hitze überhaupt ein) keine Schweißperlen von der Stirn zu tupfen hat…

2. SUVs
Ich war ja schon von meinem kleinen Traktor daheim begeistert. Die Sitzposition ist höher, der Überblick demnach viel besser, die Verwechslung mit einem Unterlegkeil ausgeschlossen und Allradantrieb macht nicht nur im Winter einen Heidenspass. Und unser Ford hier bestätigt das gerade auch wieder…

3. Garbage Disposal
Hey, schon mal was von diesem „Müllschlucker“ gehört? Ich hab es zuerst nicht ganz kapiert, warum alle so ein Geschiss um das Teil machen. Er war nämlich kaputt und unser Vermieter hat sich, noch bevor wir eingezogen sind, um Ersatz bemüht. Inzwischen glaube ich, dass ich mir in Deutschland mal auch so ein Teil einbau. Beim Geschirrabspülen entfällt dann nämlich das leidige rausfummeln von ein paar Essensresten aus dem Abflusssieb. Wasser marsch, Knopf drücken und alles wird auf dem Weg in die Kanalisation klein gehäckselt. Toll! Nur die Finger sollte man nicht unbedingt reinstecken…

4. Automatik
Prinzipiell war ich ja auch eher so ein Schalten-gibt-einem-erst-das-richtige-Autofahrer-Feeling-Anhänger. Doch seien wir mal ehrlich. Im Stadtverkehr, an den Ampeln und Stoppschildern (die es hier ungefähr in 10.000%iger Anzahl gibt) und auch sonst ist es doch super angenehm, wenn der linke Fuß nicht ständig mit kuppeln belastet wird. Zum anderen bleibt soviel mehr Spielraum für die nun freie rechte Hand: Essen, Trinken, Telefonieren….

5. Riesenkühlschrank
Kaltes Wasser, Eiswürfel und Crasheis auf Knopfdruck? Klasse Sache! Denn wie war es denn früher? Genau! Immer wenn man Eiswürfel brauchte, waren keine mehr da. Passiert ab sofort nie wieder…

6. Drive Thrus
Morgens einen Kaffee beim Starbucks, dann die Hemden in die Reinigung bringen, schnell ein bisschen Bargeld am ATM holen, an der Apotheke vorbei und das Rezept einlösen, weiter zur Post für ein paar Briefmarken, am White Castle einen Hamburger mitnehmen, die Hemden wieder abholen, eine Flasche Sekt im Liquor Store besorgen und weiter nach Las Vegas zum Heiraten… Dies ist alles möglich ohne auch nur einen Fuß aus dem Auto zu setzen!

7. kein Ladenschlussgesetz

Ich brauch keine 24/7 Öffnungszeiten. Aber dass die Läden hier auch am Sonntag aufhaben, ist wirklich sehr angenehm. Und ja, ich kenne auch alle Argumente, die dagegen sprechen, trotzdem ist es mehr als praktisch auch mal am Wochenende, das ja bekanntlich nicht nur aus einem Samstag besteht, loszuziehen und ein paar Besorgungen zu erledigen. Besonders wenn man wie ich gerade unter der Woche kein Auto hat. Über das Einkaufen mit dem Fahrrad und den damit verbundenen Challenges erzähl ich euch ein andermal…Wink

8. Smartphones
Ich hab meins nun erst seit gut zwei Wochen (nein, kein Stein…ich berichte bald…) und will es nicht mehr hergeben. So ein tolles Spielzeug. Ich erzähl da jetzt auch gar nicht mehr darüber, denn jeder, der bereits eins hat, wird mich verstehen und die, die noch keins haben, können eh net mitreden…

9. Große Supermärkte und Shopping Malls

Alles unter einem Dach. Kein Stress mit der Parkplatzsuche. Auto abstellen kostenlos. Ich denke, ich habe alles gesagt.

10. Getränkehalter

Im Auto, am Fahrrad, am Kanu, auf der Kühlbox, im Kino, am Einkaufswagen im Supermarkt… überall gibt es diese praktischen kleinen runden Vertiefungen, in die optimal ein Getränkebecher oder eine Flasche Wasser passt. Supi!

Eine Bootsfahrt die ist lustig...

...eine Bootsfahrt die ist schöööön! Ja, ihr habt schon richtig gelesen. Heute sind wir auf dem Wasser, nicht darunter.
Denn ein weiteres unserer Hochzeitsgeschenke bestand aus einem Gutschein für ein Kanu, abzuholen in einem Outdoorshop namens Rei in der Nähe von Chicago. Hmm, dies ersparte uns wenigstens den Umzug über den großen Teich. Nicht schlecht. An den Rückumzug denken wir jetzt mal noch nicht…

Kanu1Die erste Herausforderung bestand darin, einen geeigneten Dachträger für unser Auto zu bekommen. Ein Laden der Kanus verkauft, hat doch bestimmt auch passende Transportmöglichkeiten, oder? Also auf zum Rei. Kurze Zeit später war alles klar und bestellt. Zu diesem Zeitpunkt sahen wir auch zum ersten Mal „unser“ Kanu. Ach du Scheiße. Welcher Teufel hat meine Jungs da nur geritten??? Das Ding ist ja RIESIG! Länge - 14 feet, Breite - 42 inches, Tiefe - 14,5 inches, Gewicht - 85 pounds. Sind die des Wahnsinns? Der Satz „…kauft euch da drüben auch ein großes Auto…“ bekommt auf einmal eine ganz andere Bedeutung. Aber gut. Geschenkt ist geschenkt. Wir wollen mal nicht meckern.
Bruno1
Die Abholaktion eine Woche später war dann auch recht amüsant. Im Land der unbegrenzten Services hätte es für einen absolut geringen Unkostenbeitrag von rund 60$ die Möglichkeit gegeben, uns den Dachträger installieren zu lassen. Naja, zwei Inschenöre werden das doch auch noch so hinbekommen, oder etwa nicht?! Außerdem bin ich ja eine Frau und kann Bedienungsanleitungen lesen! Wink Unter den amüsierten Blicken von einigen Rei-Kunden haben wir das Ding auf dem Parkplatz also zusammen geschraubt. Eine halbe Stunde später waren wir soweit. Jetzt musste das 85 Pfund schwere Scheißerchen nur noch auf’s Dach. Aber auch das erwies sich als stemmbar.

Am Sonntag starteten wir dann unseren ersten Ausflug an den Busse Lake im Cook County, nur etwa 35 Meilen weit weg. Strahlend blauer Himmel, eine leichte Brise, Temperaturen um die 85°F. Perfekt! Gut bestückt mit Kühltasche, Sonnencreme und 2 Smartphones (damit wir den Weg zum Auto auch sicher Nena1wieder finden) stachen wir also in See. Anfangs fuhren wir noch einen ziemlichen Zick-Zack-Kurs, vor allem wenn ein Lüftchen aufkam und uns abdrängte, doch schon nach kurzer Zeit klappte die zielgerichtete Peilung ganz gut.
Ein paar Stunden später, vollgetankt mit Sonne, Natur und leichten Müdigkeitserscheinungen in Armen und Rücken, schnallten wir unser jetzt schon sehr, sehr liebgewonnenes Kanu wieder auf’s Auto. Für die Boundary Waters an der kanadischen Grenze müssen wir noch ein klein wenig trainieren, doch ich kann es eigentlich schon gar nicht mehr erwarten, mal eine mehrtägige Kanutour zu machen. Danke Jungs! Ein klasse Geschenk!

PS: für alle Anfänger hier noch die metrischen Angaben aus obigem Text: Länge – 4,27 m, Breite – 1,07 m, Tiefe -  0,37 m, Gewicht – 38,56 kg, Distanz – 56 km, Temperatur – 29°C.